22.05.2014  DKB Handball-Bundesliga

"Die Rhein-Neckar Löwen haben die Meisterschaft in der eigenen Hand"

Es ist soweit: Der Zweikampf um die Handball-Krone in der DKB Handball-Bundesliga zwischen den Rhein-Neckar Löwen und dem THW Kiel wird tatsächlich am letzten Spieltag entschieden (Sa., 24.5., ab ca. 16 Uhr als Konferenz live auf SPORT1 im Free-TV). Beide Top-Clubs liegen punktgleich an der Spitze, eilen in den letzten Wochen von Kantersieg zu Kantersieg, um die möglicherweise alles entscheidende Tordifferenz in die Höhe zu schrauben. Ein verrücktes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen zwei Teams, die eine deutsche Handball-Legende besonders gut kennt. Welt- und Europameister Henning Fritz war von 2001 bis 2007 für den THW Kiel aktiv und hielt anschließend fünf Jahre lang den Kasten der Rhein-Neckar Löwen sauber. Wer also könnte das Meisterschaftsrennen zwei Tage vor dem finalen Showdown besser einschätzen als der 39-Jährige? Im Interview verrät Fritz, wie die Spieler mit dem Druck im Meisterschaftsfinale umgehen sollten und er beurteilt, welche Rolle die Torhüterleistungen in dieser Saison für das Spitzenduo gespielt haben.

 

Herr Fritz, wie schätzen Sie das irre Saisonfinale mit seinem direkten Zweikampf um die Meisterschaft ein?

Henning Fritz: Es ist schon interessant, zu welchen Ergebnissen die Rhein-Neckar Löwen und der THW Kiel in der Lage sind, wenn es um die Tordifferenz geht. Jetzt liegen die Löwen in dieser Kategorie um sieben Tore vorne. Das ist bei einem einzigen ausstehenden Spiel eine ganze Menge. Denn Kiel muss gegen die Füchse überhaupt erst einmal gewinnen, da wird es sehr darauf ankommen, wie die Berliner das Halbfinal-Aus im EHF-Pokal verdaut haben, mit welchen Spielern sie auflaufen können. Die Rhein-Neckar Löwen haben es nun eindeutig in ihrer eigenen Hand!

 

Können Sie sich an eine derart dramatische Schlussphase in Ihrer aktiven Karriere erinnern?

Fritz: Als wir 2001 mit dem SC Magdeburg Meister geworden sind, hatten wir am letzten Spieltag ein direktes Endspiel gegen die SG Flensburg-Handewitt. Es war klar: Wer gewinnt, holt sich die Schale. Das war natürlich auch eine äußerst spannende Konstellation, aber an ein Fernduell um den Titel kann ich mich nicht erinnern.

 

Welches Team konnte aus Ihrer Sicht im Laufe der Saison auf die bessere Torhüterleistung bauen?

Fritz: Sagen wir es einmal so: Die Kieler Torhüter haben sich im Laufe der Saison stabilisiert. Sie konnten aber ihre eigenen Ansprüche und die, der Club an sie stellt, nicht immer erfüllen, das ist klar. Die Rhein-Neckar Löwen haben dagegen in meinen Augen den aktuell besten Torwart in ihren Reihen. Niklas Landin ist ein Phänomen. An manchen Tagen macht er das Tor komplett zu – und zwar von allen Positionen. Falls es für die Löwen reichen sollte, hat Landin ohne Frage einen riesen Anteil an der ersten Meisterschaft.

 

Bei Niklas Landin geraten Sie ja geradezu ins Schwärmen. Was zeichnet den 25-Jährigen besonders aus?

Fritz: Er bringt einfach vieles mit, was für einen Torhüter wichtig ist. Er ist von Haus aus recht groß, gleichzeitig aber auch wahnsinnig beweglich. Gemäß der typischen skandinavischen Schule deckt er gerade unten viel ab und verhält sich im Stellungsspiel äußerst geschickt. Landin ist mit seinen jungen Jahren eine Ausnahmeerscheinung. Da ist es nur allzu verständlich, dass jetzt schon die absoluten Weltclubs hinter ihm her zu sein scheinen.

 

Was geht vor solchen Showdown-Spielen wie am kommenden Wochenende in den Köpfen der Spieler vor und wie sollten sie auf dem Spielfeld  mit dem Druck umgehen?

Fritz: Da gibt es keine Wundermittel. In der Woche vor einem entscheidenden Spiel sollte man genauso in jedes Training gehen, wie auch schon die Wochen zuvor – konzentriert, aber nicht nervös. Gewissenhafte Vorbereitung, aber trotzdem eine gute Stimmung beibehalten. Das ist die richtige Mischung vor solchen Endspielen. Und im Spiel selbst darfst du dich dann nicht verrückt machen lassen. Es ist wichtig, den Spaß zu behalten, Spaß am Kämpfen zu haben. Dann kommt man ins Rollen. Und es kommt darauf an, mit Selbstvertrauen aufzutreten. Das haben sich im Fall des Meisterschaftsduells beide Teams schließlich über die gesamte Saison erarbeitet. Man muss sich einfach seiner Mittel bewusst sein, und in dieser Hinsicht habe ich besonders bei den Rhein-Neckar Löwen eine gewisse Entwicklung ausgemacht. Auch deswegen haben sie für mich die Nase leicht vorne.

 

Und jetzt Hand aufs Herz: Nach sechs Jahren THW Kiel und fünf Jahren Rhein-Neckar Löwen – für welchen Verein schlägt Ihr Herz im Meisterschaftsrennen?

Fritz: Ich kann meine Emotionen im Saisonfinale ehrlichgesagt ganz gut zurücknehmen. Ich weiß, dass der THW für seine vielen Titel immer hart arbeitet. Das war und ist mir schon immer sympathisch. Aber auch die Rhein-Neckar Löwen hätten den Titel absolut verdient. Sie haben in allen drei Wettbewerben eine tolle Saison gespielt, für sie wäre die Meisterschaft sicher die Krönung eines großen Jahres. Wie heißt es so schön: Der Bessere soll gewinnen. Und momentan sehe ich ganz nüchtern eben die Rhein-Neckar Löwen im Vorteil.

 

Sie haben eine positive Entwicklung der Rhein-Neckar Löwen, vor allem auch im mentalen Bereich, angesprochen. Sind die Clubs in der DKB Handball-Bundesliga dichter zusammengerückt und wir müssen uns künftig auf eine nervenaufreibende Saison nach der anderen einstellen?

Fritz: Das muss man erst einmal abwarten. Der THW Kiel hat sich für die kommende Saison enorm verstärkt. Mit Männern wie Duvnjak und Weinhold werden die Zebras wieder stabiler auftreten als in dieser Spielzeit. Die Rhein-Neckar Löwen geben dagegen Spieler ab, die auf dem ersten Blick vielleicht nur im zweiten Glied stehen, aber dennoch enorm wichtig sind. Denn man braucht für den Meistertitel einen breiten Kader und die Löwen haben es in dieser Saison geschafft, dass bei Wechseln häufig kein großer Bruch im Spiel entstanden ist. Da werden Spieler wie Sesum, Stojanovic oder Guardiola im nächsten Jahr definitiv fehlen. Und dann muss man auch noch sehen, wohin die Reise von Landin geht. Es gibt also viele Fragezeichen, wenn man eine Prognose für die kommenden Spielzeiten wagen will: Was passiert mit Hamburg? Kommt in Flensburg Lars Kaufmann zurück? Diese Unwägbarkeiten sehe ich beim THW Kiel nicht. Deswegen sehe ich den THW für die nächste Saison schon als klaren Favoriten.

 

Sie gehören mittlerweile zum Trainerstab der deutschen Nationalmannschaft, betreuen die Torhüter. Mit welchen Gefühlen schauen Sie auf die bevorstehenden WM-Qualifikationsspiele gegen Polen?     

Fritz: Wir gehen optimistisch in diese beiden Spiele. Über die Stärke des Gegners ist alles gesagt, jetzt kommt es darauf an, dass wir mit Selbstbewusstsein auftreten. Die Mannschaft hat bei der WM 2013 in Spanien und auch bei anderen Gelegenheiten gezeigt, was in ihr steckt. Wir müssen natürlich gut vorbereitet sein, aber auch den nötigen Spaß haben. Dann tritt die Wichtigkeit der Partien von ganz alleine in den Hintergrund. Denn die Playoff-Situation darf niemanden beklemmen oder lähmen. Es ist viel wichtiger, dass jeder Spaß an der Herausforderung hat, sich der Aufgabe stellen will und heiß darauf ist, vor großer Kulisse in Danzig und Magdeburg aufzulaufen.

 

Was sind derzeit Ihre Aufgaben abseits des DHB?

Fritz: Ich bin nach wie vor als TV-Experte bei SPORT1 im Einsatz. Außerdem will ich so bald wie möglich die B-Lizenz als Trainer erwerben und ich habe gerade mein Sport-Management-Studium abgeschlossen, damit ich mich künftig auch in dieser Richtung engagieren kann.

 

Werden wir Sie auch beim Tag des Handballs am 6. September in der Commerzbank Arena Frankfurt sehen?

Fritz: Na klar, das habe ich jetzt fast vergessen. Das ist wirklich ein toller Anlass, die Aufmerksamkeit auf den Handball zu lenken. Deshalb werde ich beim Promi-Spiel vor der Saisoneröffnung der DKB Handball-Bundesliga für das internationale Team von Frank Buschmann im Tor stehen.

 

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